Am 12. August 2021 sprachen wir in unserer Reihe ‚Paula Talk‘ mit Astrid Landero, der ehemaligen Leiterin des Frauenzentrums Paula Panke, über den Berliner Frauenpreis, der ihr in diesem Jahr verliehen wurde. Wir würdigten damit nicht nur ihren jahrzehntelangen Einsatz für Frauenrechte und Gleichstellung, sondern wagten auch einen Blick in die feministische Zukunft.
von Kathi Pitzius
Feminismus in der DDR
Astrid Landero nahm den Berliner Frauenpreis nicht nur persönlich, sondern auch symbolisch entgegen. Sie ist nicht nur die erste (ehemalige) Leiterin eines Frauenzentrums, die den Preis erhielt, sondern auch die erste Frau aus der ehemaligen DDR.
Der Weg zum Frauenpreis fing mit ihrem grundsätzlich ausgeprägten Gerechtigkeitssinn an. Den verdankt sie, wie sie erzählt, auch ihren Eltern und Großeltern. Schon früh bemerkte sie die Diskrepanz in der DDR-Gesellschaft zwischen den Erzählungen über die Gleichstellung der Geschlechter und der Realität. Hier wurde nicht nur am männlichen Ernährer-Modell festgehalten, sondern auch abwertend über Frauen gesprochen. Auch in ihrem Studium in Moskau bekam sie unter anderem mit, wie etabliert Gewalt gegen Frauen war und noch ist.
Mit Mitte 20 traf sie das erste Mal auf Feministinnen aus dem Westen und geriet in Kontakt mit feministischer Literatur. Hier stieß sie auf neue Perspektiven wie die, „dass es vielleicht gar nicht krank ist, wenn man kein Kind will“.
„Küchentischrevolutionen“
Astrid Landero erzählte von Frauentreffs, die in der DDR regelmäßig stattfanden, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Diese Treffen fanden jedoch in Privaträumen statt, denn Frauenzentren gab es noch nicht. Bei diesen „Küchentischrevolutionen“ beteiligten sich nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Dies war im Gegensatz zu der Frauenbewegung im Berliner Westen besonders.
In den letzten Zügen der DDR tauchten im Stadtbild zunehmend Frauenberatungszentren auf, die Astrid Landero teils selbst mitgründete. Zu dieser Zeit war Kommunikation noch nicht einfach per Handy möglich. Die Frauen organisierten sich, indem sie fast jeden Abend zusammenkamen – egal ob bei einer offiziellen Sitzung oder in einer Kneipe. Die Beteiligten in der Bewegung kannten sich alle untereinander.
Ein weiteres bedeutendes Ereignis war die Gründung des UFV (Unabhängiger Frauenverband), in dem die einzelnen Frauenvereine zusammenfanden. Hier trafen die unterschiedlichsten Strömungen der Frauenbewegung aufeinandertrafen und das war durchaus aufregend. Die Forderungen des Dachverbandes hingen an Wäscheleinen. Astrid Landero erzählt, dass ein großer Zukunftsglaube herrschte: „Wir dachten wirklich, jetzt wird alles gut. Das Patriarchat verabschiedet sich. Wir werden einen richtigen Sozialismus aufbauen“.
Feministische Errungenschaften
Nach dem Mauerfall war die Welt für viele eine andere. Auch in der Frauenbewegung führte das zu bitteren Bilanzen. Viele hatten das Gefühl, sie wissen nicht mehr, wie Gesellschaft funktioniert. Der große Umbruch ging mit Entlassungen von Frauen einher – Entlassung. Viele Frauen in verantwortungsvoller Position, die vorher ihre Familie ernährt haben, verloren ihre Jobs, hatten keine Betreuungsangebote mehr für ihre Kinder, hatten noch nie etwas mit dem Arbeitsamt zu tun, kannten das neue Rechtssystem nicht. Das war durchaus ein Rückschritt für die Frauenbewegung. Die Errungenschaften der Frauenbewegung war, dass die Frauen trotz allem, auf Arbeit und zu Hause, bemerkenswert stark waren.
Wichtig ist ihr zu betonen, dass der anerkannte Status der Frauenzentren heute eine unglaubliche Leistung ist. Frauen brauchen nach wie vor Orte für den Rückzug und das eigene Empowerment. Denn der weibliche Alltag ist in der Regel härter als der männliche. Die Mehrfachbelastung wird nicht anerkannt und auch finanziell nicht gewürdigt. Neben Pay Gap, Teilzeitfalle und dadurch drohender Altersarmut werden Frauen nach wie vor systematisch benachteiligt und herabgewürdigt bis hin zu psychischer und physischer Gewalt.
Feministische Zukunft
Astrid Landero spricht auch über die Rolle der jüngeren Generationen. Diese lasse nicht auf sich sitzen „was hier gerade in der Welt passiert, sei es das Klima oder (Frauen- und Menschen-)Rechte“. Sie erlebe, dass es eine „große Sehnsucht nach Zukunft“ bei jungen Leuten gebe, nach einer lebenswerten Zukunft.
Astrid Landero macht die Notwendigkeit miteinander zu reden und an einem Strick zu ziehen deutlich. „Feminismus ist nichts anderes als Herrschaftskritik, es geht darum, dass alle Menschen gleiche Rechte haben, auch Männer natürlich. Und das müssen sie noch verstehen.“ Feminismus würde auch die männliche Langlebigkeit fördern, denn das Patriarchat übe auch Druck auf diese aus. Eine langlebigere und gerechtere Zukunft muss feministisch sein.