Im Oktober fand der erste Salon der Gruppen im Frauenzentrum Paula Panke statt. In diesem neuen Veranstaltungsformat könnt ihr einen Einblick in unsere Gruppenarbeit bekommen und erleben, was hier so stattfindet.
Den ersten Salon gestaltete unsere Gruppe Feministischer Lesekreis.
Gemeinsam mit 15 Gäst*innen diskutierten die Anwesenden über das Kapitel “Das Tier in ihr – die hysterische Frau” aus dem Buch “Das beherrschte Geschlecht” von Sandra Konrad. Der feministische Lesezirkel trifft sich immer am letzten Mittwoch im Monat und bespricht feministische Literatur, die meistens von Frauen / FLINTA* verfasst wurde. Hierbei handelt es sich oft um historische Texte, Sachbücher sowie Romane.
Zu Beginn des Salons haben wir uns mit dem Begriff der Hysterie befasst und uns darüber ausgetauscht, inwiefern sich dessen Bedeutung im Laufe der Zeit gewandelt hat. Wir stellten fest, dass der Begriff bis vor 60 Jahren noch ein Krankheitsbild beschrieb, während er heute kaum noch Verwendung findet. Die Diagnose „Hysterie“ erhielten ausschließlich Frauen und es wurden verschiedenste, absurde Theorien von Männern für die Ursachen der Hysterie aufgestellt, welche heutzutage allesamt wissenschaftlich widerlegt werden konnten.
Folgendes wurde an dem Kapitel kritisiert: An manchen Stellen haben für Leser:innen Fußnoten gefehlt, welche die Gedankengänge weiter ausführen und belegen. Vieles wurde leider nur kurz angeschnitten und nicht ausreichend ausgeführt. Außerdem hat die Autorin historische Ereignisse auf die heutige Zeit übertragen, welche teils als überzogen und unpassend wahrgenommen wurden. Beispielsweise erklärt sie die Entstehung der Anorexie mit einer Ablehnung der eigenen Weiblichkeit. Dieser Zusammenhang und Gedankengang war uns teilweise zu kurz gefasst und wissenschaftliche Belege haben gefehlt.
Wir haben darüber diskutiert, wie sich der Blick auf die weibliche Sexualität verändert hat und trotzdem heutzutage noch von der “biologischen Uhr, die tickt” gesprochen wird. Hierbei kamen wir auch auf die Krankheit Endometriose zu sprechen, welche lange unerforscht blieb, obwohl viele Frauen davon betroffen sind. Es wurde deutlich, wie sehr der Mann als Norm in der Medizin galt und noch immer gilt. Auch müssen sich Frauen noch immer erklären, z.B. wenn sie kinderfrei bleiben wollen, während Männern hier meist keine Fragen gestellt werden.
Das Kapitel beschreibt die selbstverständliche Besitznahme von Frauen, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind und in Femiziden beziehungsweise allgemein systemischer Gewalt an Frauen deutlich wird. Die historischen Bilder von Frauen und die Moral der Kirche hinterlassen bis zur heutigen Zeit Spuren.
Sandra Konrad erläutert in dem besprochenen Kapitel, dass das Krankheitsbild der Nymphomanin bis heute besteht. Dies soll eine sexsüchtige Frau beschreiben, obwohl der Begriff in dem historischen Kontext eine “Verurteilung der weiblichen Lust bedeutete” (S.71). Der Sexualforscher Alfred Kinsey hatte Mitte des 20. Jahrhundert die fortschrittliche Definition aufgestellt, dass eine Nymphomanin jemand ist, “der mehr Sex hat als man selbst” (S. 71).
Welches literarische Werk als nächstes diskutiert wird, könnt ihr erfahren, wenn ihr zu den regelmäßigen Treffen der Gruppe Feministischer Lesezirkel kommt. Neue Frauen bzw. FLINTA* sind immer herzlich eingeladen, vorbeizukommen und im feministischen Lesezirkel mitzuwirken!
Das nächste Treffen findet am 29. November 2023 um 19 Uhr im Frauenzentrum Paula Panke statt. Bei Interesse bitte anmelden: einfach per Mail an anmeldung@paula-panke.de oder telefonisch zu unseren Sprechzeiten.