Dr. Rub Solís Mecalco (l.), Anne Anger (r.), Bild: Paula Panke

Dr. Rub Solís Mecalco (l.), Anne Anger (r.), Bild: Paula Panke

Paula Talk: Dekoloniale Perspektiven auf Sexualitäten.

Beitrag von Aimee Musial

„Sexualitäten und Geschlechtsidentifikationen sind fließend“

erklärt Dr. Rub Solís Mecalco beim Paula Talk am 28. Juni 2024 im Frauenzentrum Paula Panke. Gemeinsam mit Anna Anger von fembi e.V.  spricht Rub an diesem Abend über Perspektiven der Maya Bevölkerung der Yucatan Halbinsel im Südosten Mexikos auf Sexualitäten. Rub kommt selbst aus Yucatán, ist Teil der dort lebenden Maya Bevölkerung, und identifiziert sich außerhalb des heteronormativen Geschlechterspektrums. They hat einen Doktor in „Postcolonialism and Global Citizenship“ und lehrt an der Alice Salomon Hochschule als Postdoktorand*in im Bereich Queer & Gender Studies. Außerdem forscht und publiziert Rub zur Maya Bevölkerung.

„Die meisten Menschen denken, dass die Kultur und das Maya Volk durch die Kolonialisierung total zerstört wurden“,

erklärt Rub. Aber das stimmt nicht. Während der europäischen Kolonialisierung haben Maya Völker sehr viel selbst dokumentiert, um die eigenen Perspektiven und die eigene Sprache nicht zu verlieren. Das ist etwas Besonderes.  Denn nicht alle kolonialisierten Länder haben diese Ressourcen und damit neben der vorherrschenden Perspektive der Kolonien eine weitere eigene, auf die Zeit der Kolonisation. Die Texte aus der damaligen Zeit werden noch heute zum Lernen genutzt und um ein Bewusstsein für die Geschichte und die Kultur der Maya Bevölkerung zu schaffen. „Für die indigene Bevölkerung ist es heilend, die eigene Sprache zu nutzen. Es zeigt, dass sie die Kolonialisierung überlebt hat“, sagt Rub.

„Es gibt über 30 verschiedene Maya Völker. Sie haben Ähnlichkeiten, aber sind auch sehr unterschiedlich. Sie leben in verschiedenen Ländern und sprechen unterschiedliche Sprachen“,

erklärt uns Rub. Dementsprechend kann man nicht von der einen Maya Bevölkerung oder Maya Kultur sprechen. Das wird in der westlichen Forschung oft nicht beachtet. Rub findet es kritisch, Konzepte wie Homosexualität, Lesbisch, Bisexualität u.a. auf gleichgeschlechtliche Beziehungen der Maya Bevölkerungen anzuwenden und sie damit zu untersuchen. Die Beziehungen und die Konzepte sowie sexuelle Verbindungen innerhalb der Maya Völker sind unter anderen Parametern entstanden und haben andere religiöse und soziale Kontexte.  Auch das Konzept des Feminismus existiert zum Beispiel in den Maya Sprachen nicht, trotzdem gibt es weibliche Kämpfe. Sie haben ihre eigenen Worte, Konzepte und Ansätze. Westliche Konzepte bei der Analyse verdrängen bzw. untermauern oft die Lebensrealitäten der dort lebenden Maya Kultur, weshalb es postkolonialer Forschungsperspektiven bedarf.

„Das Geschlechtersystem der Maya Kulturen basiert nicht auf biologischen Gegebenheiten.“

Daher funktioniert der westliche Blickwinkel nicht, die Kategorien und die Art und Weisen Geschlecht zu denken, sind nicht vergleichbar. Rub erzählt von den Maya Gottheiten Ixchel (mit weiblichen Geschlecht), Yuum K’aax (ohne Geschlecht oder mit beiden Geschlechtern) und Itzamná, die sehr wichtig für die Yucután Maya Bevölkerung sind. Die Gottheiten sind mit weiblichen und männlichen Elementen konnotiert, wie beispielsweise der Sonne und dem Mond.

„Geschlechtsidentitäten der Maya Völker sind fließend und verändern sich auch über die Zeit“,

erzählt uns Rub. They untersucht in their Forschung Strategien in Bezug auf Selbstverständnis, Fürsorge, Vergnügen und soziale Kämpfe von Menschen der Tsetal und Tsotsil Maya Bevölkerung, die das heteronormative Geschlechtersystem infrage stellen. Rub fand heraus, dass die meisten sich nicht an nur einem Geschlecht orientieren, sondern ihre Identität fließend ist, ebenso wie sexuelle Geschlechtspräferenzen. They betont, dass es in sinnlichen Beziehungen nicht nur um Sex geht, sondern vor allem um Zuneigung und Intimität. Zuneigung offen auszuleben ist für them eine Art der Revolution.

„Es ist offensichtlich wie das CIStem funktioniert“,

so Rub. Schulen, das Gesundheitssystem und die Arbeitswelt sind oftmals keine Safe Spaces für Menschen außerhalb des heteronormativen Systems. Das berichten auch Menschen, die Rub für their Forschung interviewt hat. Das ist problematisch. Denn gerade in ländlichen Gegenden sind indigene Menschen bereits verstärkt mit Rassismus und Xenophobie konfrontiert. Jedoch werden Menschen der Maya Bevölkerungen auch in den Städten  von queeren Organisationen ausgeschlossen. Gerade deshalb ist die Unterstützung durch die eigene Familie, Freunde sowie Selbstfürsorge sehr wichtig.

„Maya Kulturen konnten nicht von kolonialer Gewalt ausgelöscht werden“,

betont Rub anschließend in der Fragerunde. Auch das Patriachat konnte sich nicht vollständig durchsetzen und viele Elemente der Maya Kulturen, wie beispielsweise die Gottheiten konnten erhalten bleiben und spielen auch heutzutage noch eine große Rolle. Das gibt Rub Hoffnung.

Die Maya Kulturen und Perspektiven sind oftmals vom akademischen Diskurs ausgeschlossen.

Gerade deswegen ist es so wichtig, dass Menschen mit indigenem Hintergrund als Forschende noch mehr Sichtbarkeit erhalten, aber auch, Forschung auch außerhalb des akademischen Diskurses zu denken. Rub hebt vor dem Hintergrund der eigenen Forschung hervor, wie wichtig es ist, offen und ohne vorgefertigte Kategorien in die Forschung zu gehen und sich darauf auch einzulassen. In Rubs nächstem Projekt untersucht they die Aktionen von Personen, die sich außerhalb des binären und heteronormativen Geschlechtersystems verorten, gegen Megaprojekte, die die Ressourcen der indigenen Bevölkerungen rücksichtslos ausbeuten und ihre Rechte missachten. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse.

Rub publiziert auf Deutsch, Englisch und Spanisch. Hier ist ein Beispiel von einer deutschen Publikation. Auf dieser Website findet ihr weitere Papers.  

Soforthilfe