„Männer reifen – Frauen werden einfach nur alt“, schreibt Miriam Stein in ihrem neuen Buch „Die gereizte Frau“. Am 8. Juni 2022 las sie bei Paula Panke daraus vor. Schnell wird klar: es gibt zu wenig Aufklärung, zu wenig Information, zu wenig Gespräche und zu wenig Forschung zum Thema Wechseljahre. Es wird beschwiegen, beschwichtigt, heruntergespielt und steht wie ein großer rosa Elefant mitten in unserem gesellschaftlichen Raum. Miriam hat sich vorgenommen, das zu ändern.
So ist das Buch entstanden, im April 2022 erschienen und schnell in den Bestsellerlisten nach oben geklettert. Na bitte, es gibt offensichtlich doch Redebedarf. Immerhin sind weltweit ca. 500 Millionen Frauen zwischen 40 und 60 Jahren in den Wechseljahren, Tendenz steigend. Sie haben mit den Symptomen der hormonellen Umstellung in ihren Körpern zu kämpfen. Trotzdem wird das Thema vor allem eins: nicht ernst genommen. Stattdessen wirken immer noch veraltete Geschlechterklischees von alternden Frauen: zänkisch, hässlich und unsexy.
Link zur Lesung bei YouTube: Die gereizte Frau
Humorvoll durch die Wechseljahre
Miriam schreibt über irritierende körperliche Beschwerden wie Schweißausbrüche, Schwindel, Schlafstörungen und das über eine lange Zeit, die Perimenopause. Gleichzeitig hat sie sich auf die Suche begeben: nach Studien und weiblichen Ritualen, ist mit Expertinnen ins Gespräch gekommen. So finden sich in dem Buch sehr viele hilfreiche wie überraschende Informationen rund um das Thema Wechseljahre – unterhaltsam und humorvoll aufgeschrieben.
Wir haben bei der Lesung viel gelacht und im Chor ein neues Wort eingeübt: vulvovaginale Atrophie. Denn das gängige Wort „SCHEIDENTROCKENHEIT“ ist eine derartige „Buchstabenfolge des Grauens“ mit „gleich zwei latent misogyne(n) Begriffe(n) …in Zusammenhang mit dem weiblichen Geschlecht“, die wir hier hoffentlich das letzte Mal so verwendet haben.
Die kulturelle Dimension der Vulva
An der Stelle begegnete uns auch Sheela-na-gig. Die Figur findet sich an den Fassaden mittelalterlicher Kirchen in Großbritannien und Irland. Sie gilt heute als Schutzheilige irischer Feministinnen. Ihre Bedeutung ist bis heute unklar: die kleine haarlose Figur präsentiert ihre weit geöffnete Vulva.
Bei ihren Recherchen hat Miriam eine kulturgeschichtliche Interpretation gefunden, die eine Dimension von weiblichem Geschlecht zeigt, die in der patriarchalen Gesellschaft gern unerwähnt bleibt: „Es gibt (…) eine kulturelle Bedeutung der Vulva, die gar nichts mit Sex zu tun hat, sondern im Gegenteil, ähnlich wie der Phallus selbst, eine Machtposition symbolisiert.“
Wechseljahre und Gesellschaft
Im Untertitel heißt das Buch nicht umsonst: Was unsere Gesellschaft mit meinen Wechseljahren zu tun hat. Miriam zeigt, dass das Thema Wechseljahre mit vielen anderen Themen wie reproduktive Gerechtigkeit, Ethnizität, Rassismus, Wirtschaft und dem Zorn in Verbindung steht. Ja: Zorn und Wut. Emotionen, die weiblich gelesenen Personen gern abgesprochen, bzw. nur abwertend interpretiert werden.
Das ist die Kraft der Frauen in den Wechseljahren und danach: Sie haben Wissen und Erfahrung, die Familienphase in der Regel abgeschlossen, sind befreit von dem Druck schwanger werden zu können. Diese Freiheit ist in vielfältiger Hinsicht ein unterschätzter Wert des Älterwerdens. Hier schließt sich die Frage an, wie wir im Alter leben wollen. Ein Thema, das bei Paula Panke nicht unbekannt ist. Es gab beispielsweise die Bildungsreihe „Die neuen Alten“.
Das Ritual der „Peng“
Miriam ist bei ihren Recherchen auf die Studien der Honkong-chinesischen Theologin Neky Cheung aufmerksam geworden. Sie forscht zu Frauen und Frauenbilder in asiatischen Religionen. Im chinesischen Hinterland untersuchte sie ein buddhistisches Wechseljahres-Ritual, das nicht nur den menopausalen Stress von Frauen lindern soll, sondern sie auch in der religiösen Gesellschaftsordnung aufsteigen lässt. Sie werden in die Schwesternschaft „Peng“ aufgenommen, in dem sie Zugehörigkeit, Austausch, Verbundenheit und Halt erleben.
Schwesternschaft gesucht
Eine schöne Idee, so eine Wechseljahres-Schwesternschaft auch bei Paula Panke zu gründen. Der Anfang ist mit der Lesung gemacht. Wer dabei sein möchte, schreibt einfach an: programm@paula-panke.de oder spricht uns einfach bei einer Veranstaltung dazu an.