Zum zweiten Paula Talk am 4. September 2020 hatte Vorstandsfrau Lea Marignoni die Leipziger Psychologin und Autorin Paula Charlotte Kittelmann eingeladen. Paula Kittelmann arbeitet nicht nur als Therapeutin, sondern schreibt auch als Redakteurin über intersektionalen Feminismus mit Fokus auf Körperakzeptanz, psychische Erkrankungen und mentale Gesundheit.
Paula Kittelmann erzählt, dass bei der therapeutischen Arbeit der Beitrag der Gesellschaft an psychologischen Erkrankungen deutlich wird: Sexismus, Rassismus und tradierte Geschlechterrollen führen bei Patient*innen zu traumatischen Erlebnissen und in der Folge zu Erkrankungen wie Depressionen und Essstörungen.
„Termini, Muster und Strukturen sind sehr heteronormativ und veraltet in der klassischen Psychologie“,
erzählt sie im Paula Talk. Es werde sehr wenig über Stressoren wie Homophobie und Sexismus und ihren Einfluss auf psychische Erkrankungen gesprochen und es gebe auch wenige Studien dazu. Einige hat sie uns hier zum Weiterlesen empfohlen:
Sie betont, dass Geschlechterrollen nicht nur strukturellen Einfluss haben, sondern sich vor allem auch auf soziale Situationen auswirken, beispielsweise wie Frauen* und Männer* Konflikte verarbeiten ‚dürfen‘: Jungs dürfen wütend sein, Mädchen wird das nicht zugestanden. Viele Patientinnen von Paula Kittelmann haben ein großes Problem damit.
Auch haben Frauen* gelernt, dass ihre Grenzen in einer patriarchalen Gesellschaft nicht akzeptiert werden und ihre Bedürfnisse oft hintenanstehen müssen. Auch das werde in der Psychologie nicht mitgedacht, sagt die Psychologin.
Für Frauen*, PoC und queere Personen ist Intersektionalität ein permanenter psychischer Stressfaktor, weil sie beispielsweise einer tradierten Rolle nicht entsprechen. In der Folge können sich bei ihnen permanente Selbstunsicherheit, Selbstzweifel, Phobien und Zwangsstörungen ausbilden. Aber auch Männer* sind davon betroffen: Wenn Jungs nicht weinen dürfen, ist das eine große Belastung für ihre Psyche: Sie dürfen nicht fühlen!
Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Sexismus und Depression. Männer, die depressiv sind, verhalten sich sexistischer, weil sie den Eindruck haben, dass sie der tradierten Rolle als Mann nicht entsprechen.
Paula Kittelmann ist wie wir der Meinung, dass sich die gesellschaftlichen Strukturen für unser aller Wohl ändern müssen. Weg mit Unterdrückungsstrukturen und Vormachtstellungen. Die Frauenquote ist noch nicht die Lösung für das Problem des Patriarchats.
„Wir müssen weitermachen und lauter werden.“, sagt Paula Kittelmann „Und jede*r muss sich selbst und seine Psyche ernst nehmen und sich, wenn nötig Hilfe holen.“
Den ganzen Paula Talk mit Paula Kittelmann findet ihr in unserem YouTube-Kanal:
Paula Kittelmann hat für uns eine Literaturliste zusammengestellt: