von Olga Burlaka. Am 18. Februar 2021 las die Soziologin, Autorin und Journalistin Carolin Wiedemann im Frauenzentrum Paula Panke aus ihrem neuen Buch „Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats. In gut verständlicher Sprache liefert die promovierte Soziologin eine queer – feministische Kritik der patriarchalen Ordnung und stellt nicht nur einen historischen Überblick zu den feministischen Bewegungen vor, sondern auch aktuelle Diskurse und beschreibt Ursachen und Hintergründe für antifeministische Entwicklungen in unserer Gesellschaft. Leser*innen entlässt sie mit einem positiven Ausblick: der Aufforderung, Beziehungen zarter und freier zu gestalten.
Der Zusammenhang von Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus
Durch ihre journalistische Arbeit kam Carolin mit Themen Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus in Berührung. Im Buch macht sie den Leser*innen klar, wie ernst die Situation ist. Sie erläutert an vielen Beispielen die Auswirkungen von Retraditionalisierung und der Mobilisierung von rechts: demokratiefeindliche Diskriminierungen, Verschwörungstheorien bis hin zu Morden. Sie zeigt, dass die patriarchale Struktur unserer Gesellschaft mit einer binären Rollenvorstellung eine lange Tradition hat und diese Binarität in seiner Abwertung alles Weiblichen die Wurzel von Frauenfeindlichkeit bis hin zu Feminiziden ist. Gleichzeitig macht sie klar, wie Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus zusammenhängen und das gesellschaftliche System – der Kapitalismus – davon profitieren. Denn die Gewalt des Marktes, geprägt vom Herrscher-Knecht-Verhältnis, liefert billige und willige Arbeitskräfte.
Die Falle von romantischer Liebesbeziehung und bürgerlicher Kleinfamilie
Carolin entlarvt in ihrem Buch die Vorstellung der romantischen Liebesbeziehung und das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie als Muster, das Menschen in Rollen zwängt, die die Allianz von Patriarchat und Kapitalismus wieder reproduzieren. Sie zeigt, wie sehr das Persönliche und das Politische zusammenhängen. Das Ergebnis war in der Corona-Krise überdeutlich zu sehen: die Last der unbezahlten CareArbeit bei der Frau als Basis für die bezahlte Arbeit des Mannes und damit ihre Überlastung. Ein Ausweg ist, Beziehungen freier zu gestalten, mehr Menschen an der Kindererziehung und Betreuung von Familienangehörigen zu beteiligen und somit neue Gemeinschaften zu schaffen, die Beziehungen weniger belasten.
Freier und zarter – neue Formen der Solidarität
Ihre Antwort darauf ist Feminismus, genauer gesagt – Queer – Feminismus mit Geschlechtergerechtigkeit und Diversität. Denn das ist die Entwicklung, die alle wirklich frei machen kann. Auch für Männer bedeutet das mehr Freiheit. Denn so können sie bestimmte Rollen und Rahmen loslassen. Sie bekommen selbstverständlich Raum für Kindererziehung und CareArbeit. Somit bringen Queer – Feministische Bewegungen Feminismus auf eine neue, globale Ebene und stellen das idealisierte binäre Geschlechtermodell sowie Cis- und Heteronormativität infrage. Diese Bewegungen haben zum Ziel, jegliche Herrschaft zu überwinden. Carolin ist überzeugt, dass es Spielräume und bestimmte Verantwortung bei jeder*m von uns gibt. Je mehr Privilegien, desto größer ist die Verantwortung, die erkennbar strukturellen Diskriminierungen zu bekämpfen. Nur dann ist wahre Solidarität möglich.