Unter dem Motto „Fuck the norms away!“ trafen wir am 7. Oktober 2021 Dr. Laura Méritt, Betreiberin von sExclusivitäten, Europas ältestem feministischen Sexshop für alle Geschlechter, und Polly Fannlaf, Aktivistin des feministischen „Freudenfluss Netzwerkes“, zu einem Gespräch in unserer Reihe PAULA TALK. Gemeinsam haben wir über sex-positiven Feminismus und den „PorYes Feminist PornAward“ gesprochen, der seit 2009 durch die beiden Aktivistinnen in Berlin vergeben wird.
Feministischer Porno – was ist das?
„Sexismus, Rassismus, Ageismus, Ableismus gehen einfach überhaupt nicht klar!“- Damit fasst Polly Fannlaf ihre Antwort auf die Frage zusammen, was sie an den Mainstream Pornos kritisiert und wie das ihre feministische Denkweise beeinflusst hat. Diese pointierte Kritik ergänzt Laura Méritt mit einer Definition von feministischem Porno, die sie anhand von drei Kriterien ausmacht:
- alle Darstellenden sollten „in ihrer Lust zu sehen sein“ – Lust bei allen Beteiligten also
- Vielfalt – egal ob es um Geschlechter, Hautfarben oder Kameraperspektiven geht
- Konsens und Fairness – vor und hinter der Kamera
Porno ist ein Abbild unserer patriarchal strukturierten Gesellschaft. Leute schauen sich an, produzieren selbst und werden angesprochen von Bildern und Macht-Stereotypen, mit denen sie konditioniert wurden. Die Mainstream-Pornoindustrie verbreitet und produziert diesen Status Quo, um daraus Profit zu schlagen. Polly Fannlaf betont, dass wir es „mit dem Schweigen der gesellschaftlichen Mitte zu lustvollen Sexualitäten“ zu tun haben.Damit spricht sie sich für Aufklärung nicht nur über Verhütung und Fortpflanzung, sondern auch über Lust bei der Sexualität aus. Denn Menschen müssen sich irgendwo orientieren und solange es keine lustvolle Aufklärung gibt, werden sie es mit den Mainstream Porno-Bildern tun, die durchaus von gewalttätigen Bildern dominiert werden.
Laura Méritt fügt hinzu, dass es dabei auch um die Art der Kommunikation geht. Wo gehe ich mit meinen Fragen hin? Schaue ich mit meinen älteren Geschwistern Pornos, um von ihnen zu lernen? Wie komme ich an Informationen? Fragen, die sich nicht nur Jugendliche stellen müssen.
Die Gästinnen betonen, dass die fehlende lustvolle Aufklärung sich natürlich auch in anderen Altersstufen abzeichnet.
Muss ich mich für Pornos schämen?
„Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wenn ein blöder Porno auf der sexuellen Ebene auch funktioniert – es geht nicht darum die nächste Beschämungsschiene aufzumachen“. Polly Fannlaf sagt, dass dies keine Einzelschicksale seien – wir werden alle in dieser normierten Welt sozialisiert. Deshalb sollen feministische Pornos dafür sorgen, dass es auch alternative Bilder gibt, die diese hinterfragen und den Menschen andere Angebote machen.
Die sexpositive Insel im Mainstream-Meer: der PorYes – Feminist Porn Award
Im Oktober 2021 ist es wieder soweit: Laura Méritt und Polly Fannlaf vergeben den Feministischen Pornopreis „PorYes – Feminist Porn Award“ . Inspiriert wurden sie 2009 dazu von einer gleichnamigen Preisverleihung in Toronto, bei der Pornoproduktionen gewürdigt werden, die nicht-diskriminierende und konsensuelle Sexdarstellungen veröffentlichen. Mit ihrem eigenen Award haben sie diese Idee vor über zehn Jahren nach Berlin gebracht und machen so auch hier in Europa Feminist*innen und Darsteller*innen sichtbar, die mit sexpositiven Bildern die Welt bereichern.
Basierend auf den o.g. Kriterien wird der Por Yes Award an unterschiedlichste Personen verliehen, egal welchen Geschlechts oder Sexualität die Produzent*innen oder Darsteller*innen sind. Diese Vielfalt bilden auch die diesjährigen Nominierten ab. Nominiert für den PorYes Award 2021 sind:
- Morgana Muses, die Sex ohne Altersgrenzen thematisiert unter dem Motto: „Es gibt kein Verfallsdatum für unser sexuelles Vergnügen“.
- Lina Bembe, die sich für die Anerkennung von und die Aufklärung über Porn-Sexarbeitende einsetzt.
- Marit Östberg, eine Filmemacherin und Produzentin aus Schweden, die Porn als Format nutzt, um sich auf kreative Weise mit Sexualpolitik auseinanderzusetzen.
- Del Lagrace Volcano, Aktivist*in,Künstler*in und Pionier*in, wenn es um um sexuelle und geschlechtliche Vielfalt geht.
- Nenna Joiner, Filmemacherin und Performerin, die einen Pornofilm ausschließlich mit schwarzen Lesben besetzte. „Rassismus ist eine Industrie, die wir täglich bekämpfen müssen“.
Bei dieser vielfältig feministischen Aufstellung beim diesjährigen PorYes-Award ist ein unterhaltsamer wie lustvoller Abend garantiert.
Wir danken Laura und Polly herzlich für ihren inspirierenden Besuch.